Es ist einer dieser Tage, an denen man abends ins Bett fällt und innig lächelt. Völlig erschöpft und gleichzeitig durchflutet von Adrenalin. Es ist bereits stockfinster, aber sollte es auch nur eine kleine Lichtreflektion geben, so sind es wohl die eigenen Zähne. Gefüllt wie eine Maß Bier, die ihre Schaumkrone einfach nicht mehr tragen kann, platzt es aus einem heraus: Glück.

Seitdem wir unsere Reise gestartet haben, passiert das regelmäßig. Dabei sind es garnicht so sehr wir selbst, sondern viel mehr unsere Umwelt, die Menschen und die Natur, die uns solche Abende bescheren. Wer denkt, viel zu erleben sei längst zu unserem Alltag, ja beinahe langweilig geworden, der irrt. Wir versuchen immer noch jeden Tag auszukosten und aufzusaugen und sind dankbar für jede Sekunde. Und natürlich hat nicht jeder Tag einen solchen Abend – ich glaube, wir würden sonst platzen. Nach all den Erlebnissen gibt es natürlich auch Momente und Tage, an denen man weniger berührt ins Bett fällt – und auch eine kleine Echse oder einen schönen Strand betrachten wir wohl nicht mehr mit der gleichen Euphorie, wie jemand, der zum ersten Mal das Meer erblickt. Der Strand ist immer noch wunderschön, aber daneben gibt es halt noch diese Wow-Erlebnisse – atemraubende Momente, die man eventuell nur ein einziges Mal in seinem Leben sehen oder spüren darf.

Wie dem auch sei, Pulau Perhentian Kecil, eine kleine Insel im Norden Malaysias hat uns eine ganze Reihe solcher Schaumkronenmomente, die das Glücks-Fass zum Überlaufen bringen, beschert. Von null auf hundert katapultierte sich die Insel in unsere Liste der Top-Destinationen. Vier Tage verbrachten wir nun hier. Vier paradiesische Tage im Himmel eines Reisenden.

Angekommen an Paddys Geburtstag, fanden wir zunächst keine freie Unterkunft und entschlossen uns kurzer Hand zu zelten. Garnicht übel muss man sagen, in erster Strandreihe weht eine schöne Briese und die Aussicht auf das Meer entschädigt für die nicht vorhandene Dusche. Zu Langzeitcampern wurden wir dennoch nicht und ergriffen so unsere Chance, als im Butterfly, einer kleinen Holzhütten-Siedlung, ein Häuschen frei wurde. Hier ist es super schön unkonventionell und alles ist nach Lust und Laune zusammengeschustert: die Fenster sind so montiert, dass sie sich nicht schließen lassen, es hängen Korallenbruchstücke, alte Bojen und Traumfänger von der Decke und mit uns teilen sich zwei Chamelien und ein Eichhörnchen die acht Quadratmeter Wohnfläche. Jeder darf halt kommen und gehen, wann er möchte, die Tür steht ohnehin immer offen und nach der Geräuschkulisse zu urteilen, sind nachts auch manchmal heimlich Freunde zu Besuch. Auffällig wird es erst, wenn am nächsten Tag eine komplette, ursprünglich eingeschweißte Nussmischungs-Tüte leergefuttert ist. Naja, so ist das halt manchmal in einer WG.

Neben dieser Traumunterkunft auf einer nahezu ausgebuchten Insel, gibt es eine Traumbucht samt Traumwetter. Nur komischerweise trifft man tagsüber kaum jemanden am Strand. Ein Blick auf auf die To-Do-Liste der Insel verrät jedoch schnell warum: neun von zehn Aktivitäten umfassen Tauch- und Schnorchelausflüge. Das können wir uns natürlich nicht entgehen lassen und so befinden wir uns nur wenig später zwischen hundert Schwimmwesten tragenden Asiaten in den Fluten. Nicht gerade einer dieser Wow-Momente. Aber eine gute Vorbereitung für das, was uns kurz darauf erwarten sollte. Der zweite Stop unserer Tour hielt an einem deutlich weniger frequentierten Korallenabschnitt. Es waren zwar neben unserem Bötchen noch weitere vor Ort, doch viele der fröhlich kreischenden Asiaten schienen diesmal lieber an Board zu bleiben. „Shark Point“ heißt die Tauchstation unter uns. Ist halt ein Name, dachten wir und hüpften ins Wasser.

Korallengarten vor Pulau Perhentian

Bis jetzt hält das Gefühl von Adrenalin und Bewunderung an und da ist es wieder: das innige Lächeln. Wir waren mit Haien tauchen – auf Safari unter Wasser – haben den König der Riffe gesehen. Life, wild, nur wenige Meter entfernt. Einen Riffhai in seiner natürlichen Umgebung anzutreffen, war nie wirklich unser Plan, ist nun aber eine der aufregendsten Begegnungen überhaupt. Dabei ich war bereits gespannt wie ein Flitzebogen, als ich Paddy zum ersten Mal sah ;-)

Unendlich majestätisch zieht er seine Bahnen entlang der Korallen. Er bedarf keiner zwei Flossenzüge und ist bereits wieder außer Sichtweite. Hinterherschwimmen ist sinnlos, die Sicht nicht die Beste und niemand weiß, wann und wo er als nächstes zu sehen sein wird. Die Spannung steigt. Das farbenfrohe Riff spielt nun eine ganz andere Melodie und auch wenn Riffhaie im Großen und Ganzen für den Menschen ungefährlich sind, so sollte man sie dennoch nicht bedrängen.

Da ist er! Ich kneife Paddy vorsichtig ins Bein, um ihn auf den davonschwimmenden Hai aufmerksam zu machen, als dieser sich schlagartig umdreht und mir kurz das Herz stehenbleibt. Bis jetzt geht mir der Moment, indem ich mich für eine Millisekunde Auge in Auge mit einem Hai befand, durch Mark und Bein. Keine Ahnung, warum er sich dermaßen schnell zu uns wandte, im Gegensatz zu den kreischenden Asiaten war von uns nicht das kleinste Geräusch zu hören. Letztendlich drehte er sich jedoch wieder ab und war kurz darauf in den Tiefen des blauen Wassers verschwunden.

Die gesamte Begegnung mit einem so großen, hübschen und mächtigen Unterwasserlebewesen zählt zu einem der Momente, die einem jeglichen Atem rauben und das Herz schneller schlagen lassen. So unheimlich die Begegnung im ersten Moment schien, so faszinierend war sie auch.

Nun liege ich hier, seit Stunden wach, kann nicht aufhören, zu lächeln, und bin froh, dass bald schon wieder die Sonne aufgeht. Ich kann es einfach kaum erwarten morgen Flossen und Taucherbrille zu leihen, Paddy einzupacken und schnorcheln zu gehen. Mit etwas Glück treffen wir auch in den Korallen vor unserer Unterkunft auf einen Schwarzspitzen-Riffhai.

Riffhai in der Coral Bay von Perhentian Island