Das Nachbarhotel liegt unter einer weißen Seidendecke. Ab und zu lässt ein von den Bergen kommender Windzug den Pulverschnee auf der Terrasse tanzen. Ein in dicke Daunen eingepackter Mann kratzt mit der Schneeschaufel routiniert über den Asphalt. Sonst ist niemand da draußen. Nur die bepuderten Tannen am Hang, die im Morgenlicht glänzenden Gondeln, und das Eis. Der Blick aus dem Fenster zieht einen schon am frühen Morgen magisch an.

Vier Scheiben Brot, drei Tassen Kräutertee, zwei Schalen Müsli und eine ganze Zeit später könnten wir schon wieder zurück ins Bett fallen. Erschöpft von den Vortagen rufen Beine, Arme und Handgelenke verzweifelt nach einer Pause. Die sauerstoffarme Luft zehrt seit der Ankunft an der Kondition. Doch Sonne, Berge und die im Skiraum wartende Ausrüstung schütteln lachend ihre Köpfe. Die Piste ruft, die Leidenschaft siegt.

Die Abfahrt selbst lässt sich nur schwer in Worte fassen. Für Küstenkinder und Stadtmenschen sind die steilen Hänge ein ungewohnter Nervenkitzel, die durchgehende Anspannung des Körpers selbst für Hobbysportler eine schweißtreibende Belastung. Schnelle Schussfahrten, ineinanderfließende Kurven und eine einzigartige Winterlandschaft im Vollpanorama unterhalten, begeistern und lassen das Adrenalin durch die Adern schießen. Eine Schnittmenge aus kindlichem Toben im weichen Schnee und rasantem Extremsport, zwischen eisiger Unmittelbarkeit der Natur und dagegenhaltenden, wärmenden Sonnenstrahlen.

Winterurlaub in Kühtai, Tirol

Winterurlaub in Kühtai, Tirol

Winterurlaub in Kühtai, Tirol

Zum Mittag kehren wir in der Kaiser-Maximilian-Hütte ein. Wie in anderen Tiroler Berghütten, kann man sich hier in gelassener Atmosphäre, inmitten uriger Einrichtung ortstypisch stärken. Authentisches Hütten-Dasein eben. Auch dafür fährt man hier her, auch darauf freut man sich schon Wochen vorher. Mehr Österreich geht nicht. Auf der Karte findet sich alles, was das Skifahrer- und Snowboarderherz begehrt. So stehen nur wenige Minuten später dampfende Fritattensuppen, in Puderzucker gekleideter Kaiserschmarn und literweise Schiwasser auf unserem Tisch direkt neben dem alten Kamin. Doch wer rastet, der rostet und so heißt es, kurz durchzuatmen, das Gesicht in die Sonne zu halten, dann geht es zurück ins kalte Weiß. Ein, zwei, drei letzte Runden hinunter ins Tal, ein, zwei, drei Fahrten hinauf zu den scharfkantigen Gipfeln bevor uns die Laune erst in die Sauna und später zum Abendprogramm führt.

Bei gefühlten -20 Grad ist die Entscheidung für ein warmes Plätzchen schnell gefunden. Schneeschauer und Schaukelstimmung führen uns direkt zum Original: dem Kühtaier Dorfstadl. Hier reißen die zwei gut gelaunten Ösis vom Tschirgant Duo einen Kalauer nach dem nächsten. Dazwischen erklingen traditionelle Lokalhymnen und internationale Popklassiker. Von Macarena, bis Summer of 69, von Helene Fischer bis Andreas Gabalier. Während eine Gruppe junger Skilehrer die Tanzfläche aufwirbelt, wird auf den rustikalen Holzbänken ordentlich getrunken, gelacht und geschaukelt. Amüsiert schauen – zwischen alten Heugabeln, hölzernen Schneeschuhen und ausgeblichenen Landschaftsfotografien in Schwarz-Weiß – Waschbären, Füchse und Hirsche, alle samt lang verstaubte Jagdtrophäen, amüsiert von den Wänden auf uns herab. Ein ‚Kennst du den schon?‘, ein ‚Einen trinken wir aber noch, oder?‘, ein Dutzend Trinksprüche. Aprés-Ski wie es im Buche steht.

Am späten Abend fällt der Ort, fallen die Bars, Hotels und Gasthäuser in einen tiefen Schlaf, erschöpft vom Tag und in weiser Voraussicht auf die nächste Abfahrt am nächsten Morgen. Es ist noch früh in der Saison und das eifrige Arbeiten der Schneekanonen erfüllt die Nacht mit einem gedämpften Dröhnen. Dazu das leise Knirschen des Schnees unter unseren Winterstiefeln, sonst nichts. In den mit dunklen Hölzern verkleideten Fenstern erlöschen nach und nach die letzten Lichter und geben einen selten klaren Blick auf einen mit unzähligen Sternen besetzten, tiefschwarzen Himmel frei.

Winterurlaub in Kühtai, Tirol