Eine Retrospektive zum Abschied von Sydney

Es kommt nie so, wie man es erwartet, unser Aufenthalt in Sydney bestätigt das wieder einmal. Wie auch immer, so wie es kommt, wird es schon gut werden.

Das Erste, was wir in Sydney unternommen haben, war nicht etwa die touristischen Highlights wie das Opera House oder den Port Jackson zu besuchen, sondern ein Autokauf. Das hatten wir nicht geplant, damit hätten wir nie gerecht. Dabei sah es anfangs eher schlecht für uns aus, als wir das Parkhaus in Kings Cross betreten hatten. Das ansonsten für seine Geschäftigkeit bekannte Parkdeck, einem beinahe ikonischen Treffpunkt speziell für Autogeschäfte zwischen ausländischen Backpackern, war an diesem Tag wie ausgestorben, lediglich ein Verkäufer hatte sich für den Nachmittag angemeldet. Das wir mit genau diesem einen Volltreffer landen, nennt man wohl Schicksal. Wenige Stunden später war der Deal perfekt, wenige Tage danach hatten wir den Schlüssel zu unserem neuen Campervan, einen dunkelgrünen 1997er Mitsubishi Starwagon, in den Händen.

Mitsubishi Starwagon, Hunter Valley

Als wir uns vor wenigen Wochen kurzerhand bei Helpx.net, einer Internetplattform auf der rund 4-5 Arbeitsstunden am Tag gegen Verpflegung und Unterkunft getauscht werden, registriert haben, konnte noch keiner wissen wohin uns diese Reise tragen würde. Einfach machen, wird schon schiefgehen. Wir haben uns, das ist alles was zählt, und dieses Gefühl ist einfach gut. Unser Autokauf am ersten Tag in Sydney hat schließlich auch super geklappt – dass uns überall davon abgeraten wurde, das erste besichtigte Auto zu kaufen, lässt sich mit unserer neu erlangten „Einfach-Machen-Mentalität“ halt einfach nicht vereinen.

Gesagt, getan, bereits wenige Tage später haben wir die ersten Anfragen im Posteingang. Ob wir als Aktmodell im Outback arbeiten würden? Besser schnell weiterklicken. Zwei Mails von einer Jennifer – der Schreibstil kurz und informativ, nicht sonderlich herzlich, aber man kennt sich ja auch nicht. Und nach der Aktmodellanfrage sind wir über ein wenig Zurückhaltung auch ganz dankbar. Das Angebot steht: Kost und Logie gegen Babysitting und Hausarbeit. Kurzerhand verschieben wir unsere ursprünglich angedachten Melbourne-Pläne, nicken uns kurz zu und entscheiden nächste Woche loszulegen. Aber auch das kam wieder einmal anders und schon am selben Abend sitzen wir auf der gepolsterten Rattancouch auf der Terrasse der Familie Obrien, die sich mitten auf einem Golfplatz im Hunter Valley, dem Genuss- und Kurort für Feinschmecker und Naturliebhaber, ein schickes Ferienhäuschen erschaffen hat. Ganz schön spontan die Aussies, denken wir uns. Nun sind wir hier und können beim Anblick der Weite kaum glauben noch heute morgen auf 3m2 gelebt zu haben – ein Paradebeispiel dafür, wie schnell sich das Blatt auf Reisen wenden kann.

Jennifer, die Mutter von zwei kleinen Kindern, ist uns auf Anhieb sympathisch und so verbringen wir noch einige schöne „Kennlern-Stunden“, die sich anfühlen als kenne man sich bereits ewig, bevor wir nachts erschöpft ins Bett kippen. Am nächsten Morgen geht das Spiel mit Thomas (18 Monate), Sophia (2,5 Jahre) und dem frisch angereisten Ehemann Brian weiter. Die Chemie stimmt – die nächste Woche kann kommen!

Aus der ursprünglich angedachten einen Woche sind nun bereits fast drei geworden. Aus Hausarbeit und Babysitting entwickelte sich schnell die Mithilfe im Marketing des familiengeführten Unternehmens „In House Dining“, einem der besten Cateringunternehmen Sydneys, das vom Sternekoch Brian Duncan, unserem Gastvater, geleitet wird. Einen Markenauftritt für ein erstklassiges Unternehmen im High-End-Food-Bereich zu entwerfen, hätte uns – passioniert wie wir es sind – nicht besser treffen können. Natürlich helfen wir gerne! Ohne zu zögern machen wir uns an die Arbeit: Unternehmensanalysen, Marktbesuche, Recherche über Mitschreiter, Zielsetzung, Logoentwicklung, Webdesign… Die Tage verstreichen und alle ziehen an dem selben Strang.

Eines mittags kommt Brian auf uns zu, er wolle gleich ein paar Kleinigkeiten vorbereiten, ob wir die nicht abfotografieren könnten. Klar können wir! Irgendwann ist schließlich immer das erste Mal und es ist genau diese Spontanität, die wir lieben. Und so wird die Küche kurzerhand in ein Food-Shooting-Studio umfunktioniert. Während Brian und ein befreundeter Koch in der Küche hantieren, schnippeln, würzen, braten und die exotischsten Zutaten trapieren, posieren Austern, Jakobsmuschel und Lachsfilet gekonnt vor unserer Kamera. Einige Stunden geht dieses Spiel, ein Wettlauf um den Zerfall der Lebensmittel und ein Spagat aus jeder Menge Spaß und „oh, hoffentlich wird das was“. Abends werden all unsere Fotomodelle zu einem feierlichen Seafood-Buffet aufgetischt. Bei ihrem Anblick fällt es uns schwer zu glauben, dass wir noch wenige Stunden zuvor um ihre Ansehnlichkeit im Sonnenlicht besorgt waren. All die kleinen Canapés, ausgepfeilt bis ins letzte Detail, sind einfach perfekt. Frohe Weihnachten!

Wer mehr von unserem Projekt für In House Dining sehen möchte, wird auf thatsanidea.de fündig.

Canapes, In House Dining

„Die Zeit verfliegt wie im Fluge“ ist an dieser Stelle schon kein Ausdruck mehr. Im letzten Atemzug erst angekommen, heißt es nun schon wieder Koffer packen. Es ist ein seltsames Gefühl morgen Abschied nehmen zu müssen. Die letzten drei Wochen wurden einem Bilderbuch entnommen, die Familie machte es uns leicht, sie tief in unsere Herzen zu schließen, voller Energie und Lebensfreude wurde jeder Tag auf’s Neue beschritten. Wir lachten Tränen, wurden ausgiebig durch Sydney geführt, bekamen einzigartige Empfehlungen und Reisetips, unterhielten uns stundenlang offen und tiefgreifend über das Geschäft, das Leben und die Familie, arbeiteten konzentriert und zielstrebig, erhielten unglaublich viel Wertschätzung und Dankbarkeit, machten Scherze über unsere allabendlichen Festmahle, gingen auf Entdeckungsjagd mit den Kindern und lernten die Welt letztendlich mit völlig neuen Augen kennen. 

Danke Familie Obrien, die Zeit bei euch war einzigartig schön, filmreif in jeder Facette und wertvoll mit jeder Sekunde. Wir haben vieles gelehrt und mindestens genauso viel gelernt. Ist Hamburg unser Tor zur Welt, so seid ihr unser australischer Hafen. Nun heißt es ein letztes Mal winken, die Segel setzen und abwarten, wohin uns die Reise dieses Mal wohl tragen wird.

Sydney Lifestyle

Spielen mit Thomas, Sydney

Familienleben im Hunter Valley

Heute stehen wir erneut kurz vor unserem Aufbruch nach Melbourne und zur weltberühmten Great Ocean Road und sind voller Erwartungen und Vorfreude auf die damit verbundenen Veränderungen, stundenlange Fahrten auf dem Highway und ein Leben ohne Plan und Struktur. Anschließend planen wir eine lange Reise entlang der Küste in den tropischen Norden des Landes (das wird für Hamburger immer etwas seltsam klingen), zu den weißen Stränden der Gold Coast, bis zum sehnlich erwarteten Great Barrier Reef vor Cairns. Soweit der Plan, wo wir letztendlich wirklich landen, werden wir noch sehen. Schließlich kommt es nie so, wie man es erwartet.