Der Kühlschrank sieht aus wie deutsche Straßen am Neujahresmorgen. Zwischen einem unübersichtlichen Wirrwarr aus beschrifteten Plastiktüten und Kühltaschen stehen einige scheinbar herrenlose Bierflaschen mit abgeblätterten Etiketten. Auf der anderen Seite entledigt sich eine zerbeulte Dose Fertigtomatensoße im Zeitlupentempo ihres Inhaltes. Ein Schauplatz der in seiner Abartigkeit beinahe künstlerisch wirkt. Ein einst auf irgendeiner sinnlosen Internetseite gefundener Spruch kommt mir in den Sinn: „Ist das Kunst oder kann das weg?“. Definitiv Letzteres.

So wie der Kühlschrank haben auch die anderen Teile der Küche allerdings etwas durchaus Positives an sich. Chaos, Dreck und der ohrenbetäubende Lärm der umherreisenden Hobbyköche, die alle samt unterwegs eine ganz neue Leidenschaft für unorthodoxe Küchenexperimente entdeckt haben, machen Lust auf einen Spaziergang zum kleinen Imbiss gegenüber. Stichwort Essengehen.

Wie es scheint, hat das Personal diese Woche frei. Vielleicht hat es sich aufgrund der wilden Vorabende auch provisorisch krankgemeldet – wie auch immer, arbeiten tut hier zumindest keiner. Als ich einen jungen Angestellten anspreche, der liegend bei einer Packung Chips die gesamte Couch und damit die einzige noch freie Sitzgelegenheiten belegt, schreckt dieser entsetzt auf und erinnert mich schlagartig an die Verkäufer deutscher Baumarktketten, die sich aus Sorge vor Hilfe suchender Kundschaft stets in den hintersten Gängen verstecken und niemals zuständig sind.

Im Badezimmer setzt sich der Schrecken fort. An der Toilettenwand hängt ein verpixeltes Schild mit der unmissverständlichen Grafik „Nicht auf die Klobrille hocken“. Es würde sich sichtbar nicht daran gehalten.
Schnell Wasserhahn an, waschen und mit nassen Händen nach draußen. Papiertücher gibt es schon seit einer Woche keine mehr und auf dem ersatzweise aufgehängten Gemeinschaftshandtuch kann man die Bakterien förmlich rufen hören. „Nimm uns mit!“ Nein, danke.

Auf zum Schlafsaal. Dieser macht auf den ersten Blick einen deutlich besseren Eindruck. Die Laken sind bis auf die üblichen Flecken und Risse wie neu und riechen nur dezent nach ihrem Vorbesitzer. Man muss ja auch mal positiv überrascht werden, denke ich, entferne gut gelaunt ein paar fremde Haare vom Kopfkissen und lasse mich in die steinharte, ausgelegene Matratze fallen. Mit umgeschnallten Portemonnaie und Kamera unter dem Kopfkissen – Schließfächer gibt es keine – wartet eine herrlich unruhige und kurze Nacht auf mich.