Love, Peace und Blumenkleider

Schelmisch grinsend haucht uns der vorbeigehende Dreadlocks-Träger den Qualm seiner selbstgedrehten Zigarette entgegen und hüllt unsere Windschutzscheibe kurzzeitig in weiße Schleier. Ein freundlicher, beinahe stereotypischer Gruß eines absolut stereotypischen Einwohners von Byron Bay. In dem aufgeweckten Urlaubsort scheint es an zumindest jeder zweiten Ecke so, als seien die 70er zurück oder auch nie zu Ende gegangen. Modern interpretiert, versteht sich. An vom Sonnenlicht gebleichten Holzfassaden hängen große Transparente in hell leuchtenden Regenbogenfarben, die von indischen Massagen bis zu tiefesoterischen Sachbüchern all das zu verkaufen versuchen, was der Hippie des 20. Jahrhunderts so zu brauchen scheint. Auch auf den lokalen Kunsthandwerksmärkten und den Picknickdecken der vielen privaten Flohmarktstände sieht es nicht anders aus. Magische Glaskugeln hier, farbenfrohe Blümchenkleider dort. Flowerpower, ahoi.

Dabei ist Byron Bay im Auge der wahren Gurus längst viel zu kommerziell, zu touristisch, zu weltlich und sicherlich nicht mehr als eine verdünnte Lightversion der eigentlichen Hochburg der alternativen Freigeistkultur, der ländlichen Gemeinde Nimbin. Das 450-Seelen-Dorf, welches sich mitten im australischen Hinterland, rund 70km von der Küste entfernt, befindet, gilt seit vielen Jahrzehnten als aktives Zentrum der nationalen Hippie- und Aussteigerszene, als Mekka der Regenbogenregion, als Geburtsstadt der Batik-Shirts und Haschkekse. Das schauen wir uns einmal an, denken wir und stellen keine zwei Stunden später unseren Van am bereits gut gefüllten Straßenrand der Cullen Street ab und gehen von hier zu Fuß weiter. In der Mittagshitze brutzelnd schlendern wir langhaarigen, auffällig gekleideten Aussies entgegen, passieren wild bemalte VW-Busse und schrill geschmückte Schauerfenster. Weit laufen müssen wir nicht, der entlang der Hauptstraße liegende Ortskern umfasst nur wenige hundert Meter, Cafés, Restaurants und Souvenirshops lassen sich an zwei Händen abzählen. Easy going also.

Nimbin ist, das merken wir schnell, genau so wie in den zahlreichen Prospekten der Tourunternehmen beschrieben: sehenswert, amüsant, anders, eine ganz spezielle Show, eine alltägliche Bühne für die hier ansässigen Querdenker, zu einer Hälfte gestellt, zur anderen Hälfte authentisch echt. Auch wenn sich das eigentliche Hippieleben heute weniger repräsentativ, in versteckten, ländlichen Kommunen, fernab von Touristenbussen und Besucherströmen abspielt, kann man dem Fleck Erde seinen Charme nicht absprechen.

Hunger. Wie immer. Die Fahrt war irgendwie anstrengend, der Geruch von Räucherstäbchen macht Lust auf Salziges. Die Veggie-Pizza auf dem Sonntagsmarkt schmeckt großartig, soll heute aber unser einziger Kauf bleiben. Für Stofftaschen in Jamaikafarben, handgemachten Federschmuck oder die überall durch ein unauffälliges „Cookies?“ angeworbenen lokalen Spezialitäten finden bestimmt genügend andere Käufer, die Qualmlocke aus Byron Bay inbegriffen.

Schild am Straßenrand der Cullen Street, Nimbin

Straßenleben, Nimbin